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Es ist dann wohl aus

An meinem ersten Tag als Volontär in der Redaktion Steinfurt erfuhr ich, dass meine Aufgabe darin besteht, am Abend eine volle Zeitungsseite abzuliefern, dass ich zum Rauchen in die Sportredaktion muss, und dass da ein Computer steht, mit dem man ins Internet kommt.

Der Computer war vergilbt wie eine alte Zeitung. Bis er hochgefahren war, verglühten zwei Zigaretten. Vor dem Tisch stand kein Stuhl. Aber das war auch gar nicht nötig, denn an diesem Platz wollte eh niemand sitzen. Warum auch.

Wer etwas wissen wollte, nahm das Telefon oder blätterte in einer kiloschweren Mappe aus alten Zeitungen. Wer eine Adresse suchte, sah auf den Stadtplan. Um eine Zeitung zu machen, brauchte man das Internet nicht. Mein erster Tag in Steinfurt ist heute neun Jahre, drei Monate und 18 Tage her.

Inzwischen gibt es nicht mehr so viele Sportredaktionen, in die man sich zum Rauchen zurückziehen kann. So gut wie jeder Computer hat einen Internetanschluss. Zeitungen aus Papier lese ich nur noch selten. 

Ich habe ein E-Paper, einen E-Reader, und was ich sonst brauche, finde ich irgendwo im Internet. Wenn es nur darum ginge, Informationen zu verbreiten, könnte man auf die Zeitung inzwischen verzichten. Alles ins Netz zu stellen, wäre für die Verlage deutlich günstiger, einfacher und der direkte Weg in den Ruin. 

Ihr Geld verdienen die Verlage weiter mit den Menschen, die eine Papierzeitung abonnieren. Viele von ihnen kommen ganz gut ohne das Internet aus. Deshalb müssen Lokalredakteure sich beim Schreiben zum Beispiel die Frage stellen, ob die Leser das Wort „Link“ verstehen. 

Ich will das nicht lächerlich machen. Ich habe großes Verständnis dafür, dass Menschen sich in dieser Welt nicht auskennen. Aber diese Welt und die andere entfernen sich immer weiter voneinander. Die Zeitung wird mir immer fremder.

Die Lokalzeitung muss bleiben, wie sie ist, denn Menschen reagieren komisch auf Veränderungen. Sie mögen das Bewährte. Sie lieben das Rascheln. Die Zeitung hat ein Ende. Das Internet kriegt man vor dem Frühstück gar nicht durch.

Mich stört das Rascheln. Mich stören auch noch ein paar andere Dinge, in denen andere Vorteile sehen. Die Zeitung hat ein Ende. Ja, aber das ist nur solange gut, wie man eine Auswahl treffen kann. Doch es gibt viele Tage, an denen sich eher die Frage stellt: Wie kriegen wir die Zeitung mit den paar Texten voll? Das kennt jeder Lokaljournalist. Aber jeder Lokaljournalist weiß: Die Zeitung wird sich trotzdem füllen. Jeden Tag. Ein Kollege sagte neulich: „Mir kommt das manchmal vor, als wenn jemand einfach weiterspricht, obwohl er gar nichts mehr zu sagen hat.“

Ich bin das, was man einen Print-Redakteur nennt. Ich schreibe hauptsächlich für die Zeitung. Aber die Zeitungskultur ist mir fremd geworden. 

Eine Nachricht kann bei Twitter auftauchen, sie kann tausendmal bei Facebook geteilt werden. Das Radio kann es melden. Aber wenn die andere Lokalzeitung das Thema am nächsten Tag verpennt hat, dann ist die Sache noch mal glimpflich ausgegangen.

Das ist nur ein Symptom, und es ist natürlich übertrieben. Aber wahr ist: Bei der Zeitung dreht sich fast alles um die Zeitung. Bei mir nicht mehr.

Wir haben uns auseinandergelebt. Und ich finde, dass es in solchen Fällen nie gut ist zu warten, bis man was Neues gefunden hat. Daher habe ich am Montag gekündigt.

Ich hätte auch fragen können, ob ich in die Online-Redaktion wechseln kann. Das hätte mich auch gereizt. Meine Kollegen da machen großartige Dinge. Aber ich habe nicht gefragt. Ich habe mich entschlossen, nach zehn Jahren etwas Neues anzufangen. Die Zeit könnte dafür wahrscheinlich nicht besser sein.

Was genau jetzt kommt, weiß ich noch nicht. Aber das liegt eher daran, dass ich mir so vieles vorstellen kann. Ich habe ein paar Pläne. Ich werde hier darüber schreiben. Ich freue mich drauf. Und das ist ja schon mal ein ziemlich gutes Zeichen.

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