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Die Behörden und ich – ein Wettlauf in den Ruin

Das Finanzamt hat etwas Geld von meinem Konto gebucht. Wenn ich den Beleg richtig gedeutet habe, die Einkommensteuer für das dritte Quartal. 200 Prozent meines Umsatzes. Na ja, die werden schon wissen, was sie da tun. Nur dauerhaft wird das nicht funktionieren. Das kann ich ihnen jetzt schon sagen.

Bevor das Finanzamt mich ruiniert, will ich es wenigstens selbst probieren. Mal sehen, wer schneller ist. Ich habe wahrscheinlich einen Fehler gemacht, möglicherweise wird sich das irgendwann aufklären. Spätestens im nächsten Jahr bekomme ich alles zurück. Allerdings bin ich mir sicher, dass das Finanzamt auch ohne mein Geld noch bis April über die Runden kommt. Umgekehrt habe ich da so meine Zweifel.

Seit anderthalb Wochen bin ich jetzt selbstständig, und zwischendurch wird mir manchmal klar, dass das ja auch bedeutet: Im nächsten Monat kommt das Geld nicht mehr automatisch. Und dann muss ich an die Künstler-Sozialkasse denken, denn die könnten sich auch mal langsam wieder melden.

Seit ein paar Wochen schreiben wir uns Briefe. In der Regel läuft das so: Ich versuche mit allem, was mir so einfällt, zu belegen, dass ich mein Geld jetzt als Journalist verdienen werde. Sie schreiben zurück, dass die Belege dafür nicht ausreichen.

Manchmal habe ich das Gefühl, die ganze Behörde hat so eine Art Identitätsstörung. Eigentlich will sie partout niemanden aufnehmen, aber ab und zu meldet sich dann doch die Vernunft und sagt: Aber du musst, du musst.

Dabei hat die Künstler-Sozialkasse gar keine Wahl. Sie ist verpflichtet, jeden reinzulassen, der die Voraussetzungen erfüllt. Und so schwer ist das gar nicht. Doch wo man auch hinkommt, sogar in der Arbeitsagentur sagen sie: „Ja, wir haben gehört, dass das mit denen manchmal schwierig ist.“

Bis ich zum ersten Mal die Idee hatte, da einfach anzurufen, dominierte dieser Eindruck auch mein Denken. Dann wurde ich durchgestellt und hatte plötzlich einen total netten Menschen in der Leitung, der mir geduldig alles erklärte, was ich wissen wollte. Ich war so perplex, dass ich nicht mal gefragt habe, warum das sonst so kompliziert ist.

Ein paar Tage später kam wieder ein Brief mit der Nachricht, dass die Belege für eine Mitgliedschaft nicht ausreichen. Ich habe ihnen ein paar Folgen aus meiner Existenzgründer-Serie geschickt, die ich für das Medium-Magazin schreibe, weil ich so naiv war zu glauben, die könnte sich ja wohl denken, dass ich mir nicht Monat für Monat irgendwelche Geschichten über mein neues Leben ausdenke und diese in einem Fachmagazin publiziere, nur um mir diese Mitgliedschaft zu ergaunern.

Ist ihnen wahrscheinlich auch klar. Die Belege brauchen sie trotzdem, denn die Absicht, ab September vom Journalismus zu leben, reicht für die Mitgliedschaft natürlich nicht aus, wenn ich dann ab Oktober an der Straße stehe und Würstchen verkaufe.

So ähnlich erklärte mir das die Frau am Telefon. Nicht mit den Würstchen, aber wieder total freundlich, geduldig und kompetent. Ich sagte, ich hätte da einen Buchvertrag. Das könnte ich belegen. Sie antwortete, das sei doch schon mal was. Und vielleicht reiche das als Beleg auch aus. Ich dachte, ich hätte sie endlich geknackt. Seitdem: nichts gehört.

Wenn meine Krankenkasse jetzt auch noch auf die Idee kommt, die doppelten Beiträge für ein ganzes Quartal abzubuchen, bin ich erledigt. Dann muss ich wieder zur Arbeitsagentur. Aber gut, zum Glück sind sie da ja einigermaßen vernünftig.

26. September, kleiner Nachtrag: 
Das Finanzamt schreibt. Kurz überlegt, die Sache mit der Selbstständigkeit doch einfach sein zu lassen. Nachgedacht. Plan wieder verworfen.

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