Es hört nicht auf zu wirken
Versuchen Sie mal, sich vorzustellen, dass es morgens an der Tür klingelt, Sie aufmachen, draußen stehen zwei Männer, einer hat ein Holzfass in der Hand, und der andere sagt: „Guten Tag, wir sind Küfer. Wir stellen Fässer her. Wie Sie vielleicht wissen, werden Fässer nicht mehr ganz so oft gekauft. Aber Fässer sind immer noch gut. Und wir Küfer sind gekommen, um zu bleiben.“
Tja, was machen Sie da? Die Männer sehen ganz nett aus. Sie finden Fässer ja im Grunde toll. Das ist noch echte Handarbeit. Da kann man prima Regenwasser drin aufbewahren. Aber seit anderthalb Jahren haben Sie eine Plastiktonne, die das Wasser auch noch filtert. Und mit der sind Sie eigentlich sehr zufrieden. Vielleicht schenken Sie den Männern zehn Euro. Vielleicht geben Sie ihnen was zu essen mit auf den Weg. Aber das Holzfass werden Sie ihnen wahrscheinlich nicht abkaufen.
Dann gehen Sie zurück zu Ihrem Schreibtisch, surfen etwas rum, und wie das so ist im Internet, Sie landen auf einer Seite, die Sie gar nicht gesucht haben. Da sehen Sie eine Anzeige des Zeitschriftenverlegerverbands. Und auf der steht: „Print ist gekommen, um zu bleiben.“
Das mit den Küfern passiert mir ehrlich gesagt nicht ganz so oft. Das mit der Anzeige ständig. Die Zeitschriftenverleger müssen seit Jahren unglaublich viel Geld verpulvern, um die Botschaft zu verbreiten, dass sie ja auch noch da sind.
Es gibt einen Haufen Motive. Wenn die Zusammenstellung auf der Seite des Verbands vollständig sind, sind es 18. Einige erregen so viel Mitleid, dass man sich fragt, warum Bob Geldof auf diesem Auge so vollkommen blind ist. Auf einem steht: „Print wirkt und wirkt und wirkt.“ Auf einem anderen einfach nur: „Print darf das.“ Ich hätte da vielleicht auch noch einen Vorschlag.
Wie wär’s mit dem hier?
Es ist natürlich nicht so einfach. Wolfgang Blau, früher Zeit-Online-Chef, heute beim Guardian, hat Mitte Oktober in seinem sehr sehenswerten Vortrag bei der DJV-Tagung „Besser Online“ das Dilemma noch mal erklärt. „Die Verleger sind oft sehr viel klüger, als man denkt. Die sehen: Es ergibt keinen Sinn, jetzt in ein Online-Only-Projekt im deutschen Markt zu investieren“, sagte er. Man möchte dafür gern Verständnis haben. Ja, wenn es keine Alternative gibt, muss das Alte eben noch eine Weile herhalten. Aber macht so eine Plakatkampagne nicht alles noch schlimmer?
Man wünscht den Zeitungen und Zeitschriften ja nur das Beste. Man mag sie doch. Aber wenn man dann sieht, wie sie die eigenen Medien nutzen, um den Lesern und vor allen sich selbst noch mal zu versichern, dass sie weiterhin wichtig sind, dann sind das so Momente, in denen man sich für sie auch ein bisschen schämt. Momente, in denen man denkt: Das habt ihr doch gar nicht nötig.
Der Zeitschriftenverlegerverband arbeitet indes wahrscheinlich längst an einem 19. Motiv. Vielleicht hätte ich auch noch einen Vorschlag. Könnte man nicht einfach das hier nehmen? Ist doch irgendwie auch ganz hübsch. Oder?
Hinweis:
In einer früherer Version hatte ich die Kampagne irrtümlicherweise dem Zeitungsverlegerverband untergeschoben. Es geht aber natürlich um den Zeitschriftenverlegerverband.
10 Kommentare
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Print. Ich liebe es.
Just print it.
Print different.
Print macht mobil.
Print mach das Frühstück gut.
Print. Die Zukunft des Automobils.
usw.
PS: Aachener Printen nicht vergessen!
Nur, damit ich es verstehe: Was ist denn der Unterschied zwischen einem „Zeitungsverlegerverband“ und einem „Zeitschriftenverlegerverband“?
Ich habe auch mal nach „Zeitschriftenverlegerverband Zeitungsverlegerverband Unterschied“ gegoogelt und nix gefunden.
Und könnten diese vielen Verbände ein Grund sein, dass es nicht cooles, gemeinsames großes im Netz gibt, was dem Leser zugute kommt?
@ Uwe: Der Unterschied erklärt sich doch schon aus dem Namen: Die einen verlegen Zeitschriften, die anderen Zeitungen.
Man kann auch beide ganz einfach googeln:
Verband Deutscher Zeitschriftenverleger – http://www.vdz.de/
Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger – http://www.bdzv.de/
Zum Artikel: Ich mag Print-Erzeugnisse ja eigentlich auch, aber die Kampagne ist wirklich irgendwie traurig und beschämend. Ein bisschen wie dieser Imagewerbespot für den Internet Explorer, als schon keiner mehr Lust hatte, dass Ding zu benutzen.
An wen richtet sich eigentlich die Kampagne „Print wirkt“? Wer außerhalb des Kreises der Macher spricht bei Zeitschriften von Print? Ich nenne Zeitschriften einfach Zeitschriften oder Fachzeitschriften, Sorayapresse, Gelbe Blätter, nenne den Namen des jeweiligen Produktes usw. Nur eines sage ich garantiert nicht: Print. Für mich wirken, in welcher Form auch immer, Text, also schriftliche Aussagen, Essays, Romane, Kurzgeschichten, Krimis, Blogs, Forenbeiträge. Aber auch Filme, Dokumentationen, Radiofeatures, Aussagen bei Vorträgen, persönlichen Begegnungen oder Telefonaten usw. „Print darf das“? Von mir aus. Mehr als andere? Eher nicht. „Print weiss genau, warum es wirkt.“ Echt? „Print kauft man alles ab.“? Nicht wirklich!
Alle Motive der Kampagne sind übrigens auf http://www.printwirkt.de/pw-kampagne/ zu finden.
@ Uwe
Mal abgesehen, dass es schon etwas traurig (aber auch bestürzend) ist, dass manche Leute schon „Zeitung“ und „Zeitschrift“ nicht mehr auseinanderhalten können – das ist der Irrtum, dem viele unterliegen, die meinen, das Internet würde ihnen alles bieten: Wer die richtigen Begriffe nicht kennt, wird aber auch bei Google so schnell keine Antwort finden. Deshalb mein Vorschlag: Print sagt Dir, wonach Du googeln musst. (Falls jemand die Doppeldeutigkeit erkennt: die ist gewollt.)
Unter den Kampagnenmotiven findet sich auch noch der Spruch
„PRINT KAUFT man ALLES AB“
muss man nicht mehr kommentieren….
Es ist doch offensichtlich (wenn man sich die Anzeigen mal vollständig durchliest), dass die sich an Anzeigenkunden wenden. Wem sonst sollte man mit einem hohen „Return on investment“ überzeugen wollen. Doch nicht den Leser, der auf seine EUR 3,50 einen tollen ROI erwarten kann. Anzeigenkunden reden auch durchaus von „Print“, wenn sie z.B. darüber sprechen, ob sie eine „Print“- oder eine „Online“- oder was auch immer Kampagne machen. Zumindest ist das bei uns in der Agentur der normale Sprachgebrauch. Ich finde, weder kann man den Anzeigen absprechen, dass sie funktionieren (die kennen wirklich viele Leute, die in diesem Bereich tätig sind), noch kann man sagen, dass es eine besonders blöde Idee ist, in dem Rahmen, in dem potentielle Kunden Anzeigen platzieren sollen, auch für das Platzieren dieser Anzeigen zu werben. Man missversteht diese Anzeigen deutlich, wenn man sie für eine reine Selbstvergewisserung der Holzmedien hält…
Den Texten am unteren Ende der Plakate nach zu urteilen richtet sich die Kampagne nicht an die Leser, sondern an die Anzeigenkunden.
Noch mal kurz zu meiner Kritik. Das stimmt natürlich. Die Kampagne richtet sich an Werbekunden. Aber auch die hören und lesen ja überall, dass es mit Print zu Ende geht. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sich dieser Eindruck dadurch revidieren lässt, dass die Zeitschriftenverleger selbst mitteilen: „Unser Produkt macht das, was es soll.“
Das ist so einfallslos wie Werbung zu Persiluhr-Zeiten, als man noch sagen konnte: „Kaufen Sie unser Produkt, denn es funktioniert.“
Außerdem erreichen die Plakate da, wo sie zu sehen sind (zum Beispiel im Turi2-Newsletter) auch einen Haufen Journalisten, die gewiss nicht recherchieren, wer da wohl aus welchem Grund wirbt. Hängen bleibt nur: Die Verleger werben trotzig für Papier, und das, obwohl sich die Frage doch gar nicht mehr stellt.
Ein paar Meter unter der Print-wirkt-Anzeige steht heute im Turi2-Newsletter übrigens ein Zitat von Julia Jäkel. Die sagt nämlich: „Das selbstzerstörerische Runterschreiben von Print ist unsäglich und schadet der Branche immens.“ Das sehe ich eigentlich genauso. Aber ich glaube, diese seltsamen Plakate sind da relativ kontraproduktiv.