Ahnungslose Siedler im Neuland

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Der Pressesprecher des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Hendrik Zörner, hat den Verdacht, dass die Bundesregierung Informationen an Medien vorbei in die Öffentlichkeit schmuggelt. Leider ist die Botschaft der Pressemitteilung nicht ganz so klar. Und ich vermute, eigentlich möchte Hendrik Zörner auch etwas anderes sagen. Ich habe mich mal an einer Übersetzung versucht.

„Ein Kollege aus Berlin hat mir heute Morgen ein Fax geschickt. Er hat ziemlichen Ärger mit seinem Redaktionsleiter. Seit Wochen schon. Die Konkurrenz gräbt die dollsten Merkel-Geschichten aus, aber er hat keine Ahnung, woher sie die haben. Per Pressemitteilung kommen sie jedenfalls nicht rein, und das bedeutet wohl, dass Steffen Seibert sie irgendwo anders streuen muss.

Der Kollege in Berlin vermutet, das könnte irgendwas mit Facebook zu tun haben. Leider hat er selbst keine Zeit, sich um solche Spielereien zu kümmern. Aber wo jetzt auch schon der Spiegel an der Sache dran ist, fragt er, ob wir da als Verband nicht mal mit einer Pressemitteilung reagieren könnten. Und natürlich, wenn wir etwas können, dann das.

Vorab vielleicht noch eine kurze Bemerkung: Ich selbst bin natürlich auch nicht von gestern. Mir ist klar, dass die Zeiten vorbei sind, in denen wir Journalisten alles zuerst erfahren haben. Das läuft heute etwas anders. Und wenn wir keine andere Wahl haben, dann machen wir da natürlich gerne mit.

Aber so fortschrittlich sind leider nicht alle Kollegen hier im Verband, und unglücklicherweise muss ich ja auch in deren Namen sprechen. Daher nenne ich die Verbandsmitglieder, die mit diesem ganzen neumodischen Kram überhaupt nichts anfangen können, mal „Vertreter der reinen Lehre“. Das klingt ja sogar etwas schmeichelhaft.

Natürlich muss ich sagen: Es waren tolle Zeiten damals. Nicht nur die Zeitungen waren aus Papier, auch die Pressemitteilungen. Und mal ehrlich: Informationen auf Papier – das ist ja schon was ganz anderes als Informationen auf flackernden Bildschirmen. Würde ja niemand auf die Idee kommen, das teure Papier für Informationen zu verschwenden, die nicht auch wirklich stimmen. Im Internet dagegen scheinen Fehler für Veröffentlichungen ja schon fast eine Voraussetzung zu sein.

Damit kommen wir dem Problem langsam näher.

Angela Merkel will in Facebook und Twitter nicht als ahnungslose Siedlerin im Neuland rüberkommen. Langfristig wäre das auch unser Ziel. Aber ganz so weit sind wir da als Verband leider noch nicht, denn wir stecken in einem dummen Dilemma. Nach außen versuchen wir, uns modern zu geben, aber irgendwie müssen wir natürlich auch den Kollegen das Herz erwärmen, die noch kein Smartphone haben. Sonst zahlt nachher niemand mehr Beiträge, und dann gäbe es zum Beispiel auch diese Pressemitteilung nicht.

Es scheint ja jetzt jedenfalls so zu sein, dass Herr Seibert ab und zu Dinge bei Facebook veröffentlicht, die nicht als Pressemitteilung an die Kollegen rausgehen.

Das verurteilen wir natürlich (vor allem die Vertreter der reinen Lehre). Wir sind uns ja hoffentlich einig darin, dass diese Form der Kommunikation in höchstem Maße unseriös ist. Aber selbst unser neuer Vorsitzender ist in diesen so genannten Sozialen Medien ja sehr aktiv. Deshalb nenne ich das, was wir hier verbandsintern als Verflachung und Qualitätsverfall verteufeln, mal vorsichtig „anderen Sprachstil und andere Bildersprache“.

Nun ja, was soll ich den Kollegen jetzt sagen? Dass die sich alle bei Facebook und Twitter anmelden, kann ja auch keine Lösung sein.

Vielleicht können wir trotzdem zu einer einvernehmlichen Lösung finden. Die ganzen bunten Bilder, Tweets und Postings oder wie das alles heißt wollen wir hier natürlich auch nicht im Postfach haben. Wir haben ja eh schon genug zu tun. Aber wäre es nicht möglich, dass Sie wenigstens die interessanten Geschichten, also die mit Gehalt, nicht nur ins Internet stellen? Ganz im Vertrauen: Da würden Sie mir hier echt aus der Bredouille helfen.

Den Kollegen in Berlin muss ich übrigens in Schutz nehmen. Der hat sich jetzt vor zwei Wochen auch ein Handy gekauft. Das kann ich bezeugen, denn damit hat er mich vor fünf Minuten noch angerufen. Er hat gefragt, ob das Fax angekommen ist.“

Vielleicht noch eine kleine Bemerkung:
Ich bin selbst DJV-Mitglied, und ich bin nicht der Einzige da, der das alles etwas anders sieht.

Und eine Korrektur: 
Ich habe den Text von Hendrik Zörner auf der DJV-Seite irrtümlicherweise für eine Pressemitteilung gehalten. Ich muss zugeben, dass oben drüber nicht gerade klein „DJV Blog“ steht. Es ist also ein Blog-Beitrag. Weil das an der inhaltlichen Kritik aber nichts ändert und man sich sonst wundert, wenn man die Audio-Datei hört, lasse ich das jetzt oben in meinem Text mal so stehen und weise hier darauf hin. 

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4 Kommentare

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qwasi
16.11.2015 um 16:55

Holla Harakiri, viel Worte für einen dünnen Gag? Was meinst du mit flackernden Bildschirmen? Habe ich auch schon lang nicht mehr gesehen.

Neben dem Kollegen Zoerner haben z.B. MEEDIA, SPIEGEL oder Netzpolitik die möglicherweise problematische Kommunikation der Bundesregierung auf Facebook thematisiert. Liest du das –

oder knüwerst du lieber?

– qwasi (auch DJV-Mitglied)

Ralf Heimann
16.11.2015 um 17:22

Ja, hab ich gelesen. Aber es ist mir ein Rätsel, wie man danach zu dem Schluss kommen kann: „Offenbar verbreitet Seibert über den Facebook-Account Bilder und Nachrichten, die er den Medien verwehrt.“

Es geht nicht um die Frage, ob Seibert über den Facebook-Account Bilder und Nachrichten verbreitet, die er den Medien verwehrt. Es geht darum, ob Seibert Journalisten Informationen und Einblicke verwehrt, weil er die lieber von seinen eigenen Leuten transportieren lassen möchte.

Das ist ein ziemlich großer Unterschied. Im ersten Fall lässt sich das Problem nämlich einfach dadurch lösen, dass man sich als Journalist bei Facebook anmeldet.

So viel Genauigkeit würde ich von einem Journalistenverband dann aber doch erwarten. Auch, wenn es natürlich „nur“ für den Blog geschrieben ist.