Zu schade zum Wegklicken (1)

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In einer Zeitung von 1925 steht ein uralter Live-Ticker. Die Misere der Verlagsbranche hat ein paar Ähnlichkeiten mit der Situation der Musikbranche vor zehn Jahren. Ein Ex-Verleger schlägt vor, die Zeitung nicht mehr jeden Tag zu drucken. Und ein jüdisches Magazin will Geld dafür haben, dass man seine Artikel kommentiert.

Vier gute Links aus den letzten Tagen:

1. Ein 90 Jahre alter Live-Ticker

Heute vor 90 Jahren berichtete die Dortmunder Zeitung Tremonia über ein Grubenunglück auf der Zeche „Minister Stein“. Es war erst am Abend bekannt geworden, dass es dort eine Explosion gegeben hatte. Offenbar zu spät, um die Titelseite zu ändern. Aber die Redakteure räumten irgendwo hinten eine Spalte frei und berichteten dann den ganzen Abend über.

Zwei Mal fügten sie seinen aktualisierten Bericht an. Ruhr-Nachrichten-Redakteur Oliver Koch schreibt, es sei eine Art Live-Ticker. Nur deshalb hab ich es mir überhaupt angesehen. Stimmt aber tatsächlich. Und es zeigt sehr schön, zu was Zeitungen vor 90 Jahren schon der Lage waren. Um 3 Uhr reichte der Reporter noch letzte Informationen nach.

Der Text endet mit dem Satz: „Positives ist bis zur dritten Morgenstunde nicht in Erfahrung zu bringen.“ Und irgendwie fragt man sich da natürlich, warum es 90 Jahre später noch immer vorkommt, dass Fußballergebnisse nicht in der Zeitung stehen, wenn das Spiel am Abend noch in die Verlängerung ging.

Oliver Volmerich hat die Geschichte des Grubenunglücks hier noch mal für die Ruhr Nachrichten (den Nachfolger der Tremonia) aufgeschrieben. Es gibt sogar einen alten Film und die Originalzeitungsberichte als pdf-Datei. Weil der Live-Ticker nur sehr schwer zu lesen ist, habe ich ihn hier abgetippt.

 2. Der iTunes-Moment der Verlage

Vor zwölf Jahren hat Apple mit iTunes in der Musikindustrie ganz schön viel kaputtgemacht. Mat Yurow glaubt, dass jetzt die Verlagsindustrie ihren iTunes-Moment erlebt.

Und das erklärt er so: Facebook zum Beispiel hat die ganzen Leute am Anfang noch kostenlos rüber auf Verlagsseiten geschickt. Dann lief zuerst der Klick-Ramsch nicht mehr ganz so gut, weil Facebook die Verbreitung etwas erschwert hat, was sich mithilfe von Anzeigen glücklicherweise wieder aufheben lässt. Aber die kosten Geld.

Jetzt hat Facebook offenbar damit begonnen, auf der eigenen Plattform hochgeladene Videos zu bevorzugen. Es ist ja nicht ganz undenkbar, dass sie das irgendwann auch mit anderen Inhalten machen werden, die auf ihrem Server liegen und die Produzenten – das Youtube-Modell – an den Einnahmen beteiligen. Facebook hätte damit, wie damals auf dem Musikmarkt Apple, die Preise in der Hand. Und damit, nun ja, die Verlage.

3. Die lokale Kombi-Wochenzeitung

Der Berater und ehemalige Verleger Martin Langeveld rechnet in einer Art-Makro-Analyse vor, warum es sich für Verlage lohnen könnte, wenn sie ihre Zeitung nicht mehr jeden Tag drucken würden, sondern nur noch an einem, zwei oder drei Tagen.

Langeveld geht von der Annahme aus, dass die gedruckte Zeitung nur noch einmal am Wochenende erscheint, jeder Käufer einer heutigen Ausgabe sich in Zukunft für 6 Euro im Monat (60 Prozent vom bisherigen Preis) auch die wöchentliche kaufen wird. Die Klickzahlen, so schätzt er, würden sich dann verdoppeln. Dann dreht er an ein paar weiteren Schräubchen, und am Ende bleibt mehr Geld übrig als vorher.

Die Gründe dafür, dass  so etwas bislang nicht gemacht wird, sind, so vermutet Langeveld, Trägheit, die Abhängigkeit von langfristigen Bankkrediten und die Sorge, dass die Leser den Umschwung nicht mitmachen.

4. Wer schreiben will, muss zahlen

Das jüdische Tabletmag versucht auf ziemlich ungewöhnliche Weise, seine Trolle loszuwerden. Wer kommentieren will, muss zahlen. Ein paar Leute haben mich darauf hingewiesen, dass das bei den Krautreportern ja ganz ähnlich läuft. Aber da ist es doch etwas anders. Bei den Krautreportern darf man Kommentare lesen und schreiben, wenn man für ein Jahr Mitglied wird. Beim Tabletmag kann man sich auch für einen Tag anmelden, und sichtbar sind die Kommentare für alle.

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